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Ich liebe Island - und die wenigen Menschen, die ich seit 2007 da kennen lernen durfte. Am meisten ans Herz gewachsen ist mir natürlich meine Freundin Iris, mit der mich lange Jahre Freundschaft in meiner früheren Wahlheimat Mainz verbinden. Als ich Iris nun neulich mal wieder in Reykjavik besuchte, lernte ich in der Blauen Lagune eine Lady kennen, die es echt in sich hatte. Obwohl sie mir zuerst bisschen auf die Nerven ging, weil ich leider unheimlich gestresst war, zog sie mich doch ziemlich schnell in ihren Bann. Denn sie erzählte mir ihre Geschichte und die hat es in sich;

„Sieht man das noch, dass ich echt mal eine Schönheit war? Ich wurde als Königstochter geboren und wuchs als behütetes Einzelkind auf. Mein Vater war der König des Nordreichs und hat seinen Einfluß, sein Geld und seine Macht schon früh dazu eingesetzt, den Menschen ein emphatisches und gerechtes Vorbild zu sein. Leider starben meine Eltern bei einem Flugzeugabsturz als ich noch ein Teenager war. Ich hatte gerade mein Studium an einer Elite-Uni begonnen und von der Welt überhaupt keine Ahnung. Mein Onkel Thomas, also der Bruder meines Vaters kümmerte sich um mich, indem er sich mein Vermögen unter den Nagel riss; Länder, Schlösser und die Hälfte des Goldes - alles was nicht niet- und nagelfest war hat Thomas, der Unhold geklaut. Mir blieb nur mein Schloss am Nordpol, naja und die andere Hälftedes Goldes, das Land rund um den Nordpol und die Brillanten meiner Mom, der Königin.
 
Ziemlich traumatisiert von der gierigen Verwandtschaft flüchtete ich in die Arme von Erik, meinem Freund. Natürlich wollte ich es allen zeigen und schloss mein Studium mit Bestnoten ab. So wollte ich den Ruf der hübschen, blonden aber dümmlichen Prinzessin entgegen wirken und das klappte auch ganz gut. Jetzt war ich nicht nur schön und reich sondern auch noch intelligent. Noch immer schmerzte der frühe Verlust meiner Eltern. Gerade jetzt, wo ich mit Erikeine eigene Familie gründen wollte hätte ich einiges für den Rat meiner Mom und den liebevollen Zuspruch meines Dads gegeben.
Unmittelbar nach der Hochzeit diagnostizierte meine Gynäkologin eine Endometriose. Mit den verklebten Eileitern wird es mir unmöglich sein, je eigene Kinder zu haben. Kinderwunschkliniken gab es damals noch nicht und so versuchte ich, Erik für eine Adoption zu begeistern. Stattdessen gestand er, dass seine Liebe zu mir nun doch nicht ganz so groß ist, wie er gedacht hatte, dass er versehentlich das in der Nachbarschaft wohnende Burgfräulein geschwängert hat und dass es teuer für mich werden wird ihn los zu werden.
Zufällig ergab es sich, dass der Teufel damals gerade seinen wunderbaren Zauberspiegel erfunden hatte; wenn er zerbricht werden die Splitter so winzig, dass es nur noch Nanopartikel sind, die der Mensch einatmen kann. Sie haben eine ganz eigenartige Wirkung, so als ob man schlagartig ein Herz aus Eis hätte verschwinden sofort alle Gefühle. Leider auch die ganz tollen und euphorisierenden; also war man gerade akut verliebt, so war auch das schlagartig vorbei. Wenn man allerdings eben die schwierigste Zeit seines jungen Lebens durchmacht voller Trauer und Zorn über die treulose Tomate, diesen drecksverdreckten, dreckigen Drecksack, derdein Ex ist - dann deckt sich auch darüber der wunderbare Mantel der Schmerzlosigkeit. Das erste Antidepressivum war geboren und bei der Doppel-Blind-Studie für die Zulassung war ich dabei.
Apropos geboren; alle Emotionen tötete das neue Spiegel-Pulver unglücklicher Weise nicht ab und mein unerfüllter Kinderwunsch machte mir zu schaffen. So fuhr ich im Winter manchmal durch die benachbarten Länder und schaute, ob ich nicht vielleicht ein Kind finden würde ohne Eltern, welches zu mir passt. Gut, mein eisgekühlter Palast ist jetzt nicht unbedingt so ein warmes Plätzchen für ein Baby, aber ein älteres Kind, was schon aus dem gröbsten raus ist - vor allem aus den Windeln - würde doch wunderbar zu mir und meinem Umfeld passen. Und siehe da, eine Naturkatastrophe spielte mir in die Hände. Durch einen Tornado kam es zu einer Havarie in der Firma des Teufels und einige Einheiten des Spiegel-Pulvers wurden in die Atmosphäre geschleudert. In der Stadt, die in unmittelbarer Nachbarschaft dieses Unternehmens lag wurden einige Menschen vom antidepressiven Staub erwischt. Sie atmeten ihn unbewusst ein und veränderten sich, fühlten weniger, wurden ausgeglichen und zufrieden. So auch der zehnjährige Kai, der daraufhin die Dachgeschosswohnung seiner Eltern verlies undsich auf die Suche machte. Wonach wusste er zu Beginn selbst nicht, aber er hatte mich mal in meinem Lexus-Cabriolet durch die Stadt flitzen sehen, was ihn wohl nachhaltig beeindruckt hat. Also das Auto, schon klar. Ist ja noch ein Kind.
Wie ich ihn so durch die Gegend irren sah, nahm ich ihn mit zu mir nach Hause. Ich zeigte ihm das Schloss und bot ihm an, den mir noch verbliebenen Reichtum mit ihm zu teilen. Pädagogisch wertvolles Spielzeug hatte ich ihm nicht zu bieten, aber Kristallmosaike aus Diamanten, die ja ohnehin viel schöner sind.
Nicht gerechnet habe ich mit Gerda, dieser dummen Nuss. Die gleichaltrige Nachbarstochter und Freundin von Kai vermisste den Jungen doch mehr als gut war. So brach sie im nächsten Sommer zu einer längeren Wanderung auf, um Kai zu suchen. Sie erlebte einige Abenteuer undzu guter Letzt schleppte Rudi, das Red-Nose-Rentier die Kleine hier an. Was soll ich sagen? Sie fiel Kai um den Hals und heulte sich die Augen aus. Diese warmen Tränen weichten die Eiskristalle rings um das Herz von Kai auf und er begann, wieder zu fühlen. Damit war meine Zeit als Pflegemutter zu Ende und ich verstand, dass Familie irgendwie nicht wirklich mein Dingist.
Meine neuen Pläne sind, dass ich wahnsinnig gern auf Insta als Influencerin durchstarten würde. Ich hätte den Menschen einiges zu erzählen darüber, wie falsch es ist, immer nur eine Seite der Geschichte zu hören oder eine Seite der Medaille zu sehen. Es wäre doch fantastisch, wenn ich dafür sensibilisieren könnte, das eigene Verhalten zu reflektieren und damit auch eigene Anteile an Konflikten erkennen zu können. Außerdem würde ich gern in die Politik gehen und die Besenpflicht einführen - damit jeder erstmal vor seiner eigenen Tür kehren kann...“
Jetzt bin ich wieder zu Hause und denk noch oft an meine neue Freundin, die Schneekönigin. Wir bleiben in Verbindung und tauschen uns aus per eMail. Als ich 2008 mit Margarethe Schreinemakers zusammengearbeitet habe, gab sie mir den Namen „Friedensengel“. Damit hab ich bisher nie gearbeitet aber für eine Veröffentlichung unserer Story wäre das doch ein top Titel; Schneekönigin trifft Friedensengel. Und wer weiß, was alles noch daraus wird.

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